Praterpleinair 2010
Das Praterpleinair, ein jährlicher Sommerworkshop für Malerei und Zeichnung thematisiert die Figur im Stadtraum. Seit 1991 findet dieser Workshop unter der Leitung der Künstler Bernd Chill, Michael Hegewald und Bernhard Leue statt. Das Thema der Stadtlandschaft wird durch Porträt- und Aktzeichnen, sowie durch Druckkurse für Kaltnadel-Radierung ergänzt. Zentraler Ort ist der Pratergarten und das Kunsthaus im Prenzlauer Berg. Außerdem wird an wechselnden Standorten im Prenzlauer Berg gearbeitet. Abschluss eines jeden Pleinairs ist die anschließende Ausstellung der entstandenen Arbeiten in der “Galerie Parterre”.
Zur Geschichte des Praterpleinairs
Wolfgang Leber
Warum Praterpleinair, warum eine Woche Anleitung für zeichnende Amateure, warum überhaupt Kunst? Es wird ein ewiges Rätsel bleiben, welche Impulse den, der es versucht, sich diesem Unbestimmten wie auch immer zu nähern, die Veranlassung gab. Sicher wird es ein Geheimnis der Gene bleiben. Egal ob sich einer in Lyrik verströmt, zum Farbkasten greift oder in die Trompete stößt, immer ist es ein Schritt ins Ungewisse, ein Abenteuer. Ein Abenteurer ist aber einer des Weges unkundiger und das ist seine Rettung. Denn der Weg ist lang und steinig, es braucht einen langen Atem um sich nicht gleich am Anfang schon entmutigen zu lassen. Die Kunstübung ist auch nichts für Eintagsfliegen! Aber jungen interessierten Menschen der Kunst nutzbare Wege zu zeigen, ihnen unterstützende Anleitung zu geben, ist der Sinn dieser Studienwoche. Dass dies schon mehrfach auf außerordentliche Weise gelang, davon konnte ich mich in den abschließenden Ausstellungen in der Galerie im Prater überzeugen. Ausstellungen mit so vielen überraschenden und unverbrauchten Erfindungen sind wahrhaft selten. Dass diese Arbeit, mit meist jungen Menschen, gefördert und erhalten bleibt, ist eine Investition in die Zukunft.
Freilich wird die Anleitung und die künstlerische Klarsicht der kursleitenden Künstler Bernd Chill, Michael Hegewald und Bernhard Leue, die hier mit besonderem Engagement arbeiten, in besonderer Weise sichtbar. Dies ist nicht immer und überall so! Ein Jubiläum, das zehnte Praterpleinair, steht also bevor. Seine Herkunft hat diese Kunstwoche für Laienkünstler in den Sommerkursen des Werkstudio Grafik. Der erste Anlass dieser Art komprimierter Zeichenkurse ergab sich wiederum aus einem Jubiläum – dem zehnjährigen Bestehen des “Werkstudio Grafik” in der Schönhauser Allee 73 im Sommer 1980. Meine Idee war es damals, zusammen mit den anderen Kursleitern des “Werkstudio Grafik”, Margot Sperling und Wulff Sailer, uns nicht zum Jubiläum von den meist einfallslosen Kulturfunktionären mit weiteren Urkunden beglücken zu lassen, sondern den Zirkelteilnehmern ein sie selbst aktivierendes Erlebnis und ihre künstlerische fördernde Unternehmung zu bieten. Waren schon die wöchentlichen Zeichenabende anspruchsvolle und begehrte Möglichkeiten für Kunstinteressierte, doch ideologische freie, damals sonst unbedingt übliche, offene Unterrichtsform zu erleben,
war der Sommerkurs im Prater erst recht ein unvermutet unkonventionelles Ereignis in der ansonsten ziemlich trostlosen Alltäglichkeit für die meist jugendlichen Teilnehmer. Der Zulauf auf unseren Aufruf war damals enorm. Es waren weit mehr als hundert Interessierte erschienen. Wir hatten eine “Nische” geöffnet und nutzbar gemacht. Nicht ohne Mühe konnten wir den Ansturm in ein den Teilnehmern nutzvolles Unternehmen verwandeln. Es gab, wie auch heute noch, ein vielfältiges Angebot unterschiedlicher Kurse für Porträt- , Akt- und Landschaftszeichnen, einen Druckkurs für Lithografie und Radierung, einen kunstwissenschaftlichen Vortrag mit Lichtbildern und eine Exkursion nach Potsdam. Und natürlich zum Abschluss eine Ausstellung und ein Gartenfest mit viel Rotwein – Gamza und Feuerzauber hießen damals die Abfüllungen. Der Sommerkurs war ein Erfolg und fand bis 1990 alle zwei Jahre im Pratergarten statt. Für viele wurde es ein erstes kreatives Erlebnis, sich mit Zeichenstift oder Farbe künstlerisch zu erproben, sich mit der sichtbaren Welt malerisch auseinanderzusetzen. Dass dies heute noch geübt wird, verdient Anerkennung und freut den Maler.